DAS TOURTAGEBUCH - Winter 98/99 

Wenn Ihr mehr wissen wollt über die wirklich wichtigen Dinge unserer Konzertreise, dann könnt Ihr das hier erfahren, lesen müßt Ihr von unten nach oben!!!
 

30.01.99
Der letzte Tag vergeht langsam und wie alle Tage. Keiner ist betrunken und Östi kocht uns unser Lieblingsessen: Spaghetti Bolognese. Es gelingt ihm wie alles was er kocht aus dem Handgelenk und wir verleihen ihm den neunten Stern. Wir geben gut gesättigt für Euch alle noch einmal unser Bestes und brechen dann erschöpft zusammen. Wie ein Wunder springen neunzig kleine Heinzelmännchen aus sämtlichen Wasserhähnen des Gladhouse und tragen uns emsig wie die Bienen und kichernd zurück nach Berlin. Das stärkste Heinzelmännchen trägt den Bus. Jetzt sind wir zurück und lernen ganz langsam wieder laufen und sprechen und stubenrein zu werden. Das war´s. Aber keine Angst: alles kommt wieder. Und wir besonders oft und besonders gern.
 

29.01.99
Dresden empfängt uns mit offenen Armen und unerwartet gut geheizt. Dort, wo man uns musizieren hören will, ist ein Labyrinth von Riesenhöhlen, aus deren Wänden gelbe Spiralschlangen Hitze versprühen. Der Doktor ist der festen Überzeugung, daß Orte dieser Größenordnung nur Tennisplätze sein können und verpflichtet wechselnde Partner unter Androhung sehr eigenartiger sexueller Praktiken zum Spiel mit den Schlägern und dem gelben Ball. Unser süßer gelber Ball heißt Dieter und ist ein Filmstar. Er flüchtet sich nach kurzer Zeit zu Moeh und verlustiert sich bei einem großangelegten Fototermin. Es wird eine Großveranstaltung an diesem Abend, drei Bands und viele tausend Leute sorgen für Wärme und Dieter tanzt in der ersten Reihe Pogo. Die Weiterfahrt nach Cottbus wird natürlich sehr vergnüglich, insbesondere, als morgens um fünf die Errorheads unseren Bus entern. Sieger der Nacht ist ihr Busfahrer, der Zigaretten mit dem Taxi kommen läßt und genau über Frauen Bescheid weiß. Sein Name ist Hase. Mittags um zwölf treffen wir benommen und schlafverquollen im unteren Teil des Busses auf ein paar Menschen, von denen eine entfernt an Püppi erinnert. Diese zombieähnlichen Gestalten sitzen lautstark in  einer Wolke aus Bier, Schnaps und Qualm. Konsterniert schubsen wir sie alle in den Schnee und lüften erstmal richtig durch.
 

28.01.99
Errorhead katapultiert uns alle in ihre Heimatstadt Frankfurt. Gleich zum Frühstück werden wir mit dem besten Original Frankfurter Rum beschenkt. In Frankfurt sperrt man Musiker in kleine Käfige, statt in luxuriöse Backstageräume, damit sie abends auf der Bühne so richtig energiegeladen sind. Dieses Prinzip wurde direkt von den alten Römern geklaut, die auf ähnliche Weise Raubtiere dazu animiert haben, Gladiatoren zu fressen. Man gibt uns in Frankfurt auch endlich einen Namen für unsere Spezies: Catwheezles. Unser Selbstfindungsprozeß ist damit einen Riesenschritt vorangetrieben worden. Wir suhlen uns den ganzen Tag über in unseren eigenen Körperausdünstungen und genießen den Körperkontakt, den wir uns sonst ja immer schamhaft verbieten. Alle lieben alle und besonders Östi und daß die Grippe unter uns um sich greift erhöht die Stimmung noch ein bißchen. Die Frankfurter Methode schickt uns erfolgreich in die Arena. Nach der Show  werden wir aus der Kneipe nebenan geschmissen, weil die Barfrau Menstruationsbeschwerden hat und so bleibt uns nichts anderes übrig, als wie jede Nacht in unseren geliebten schizophreniegeplagten Bus zu steigen, der sich in dieser Nacht zur Abwechslung mal für einen Zeppelin hält und total sauer ist, weil ihm das keiner glaubt. Aber in welchem Zeppelin liegt schon Schnee? Und es ist nicht zu leugnen, daß wir in dieser Nacht mehrere lustige Schneemänner mit großen roten Karottennasen bauen. Irgendwann schauen wir aus dem Fenster und sieben rosa Regenschirme wandern an uns vorbei zur Arbeit. Wir sind demnach in Bielefeld. Der Doktor möchte zu gerne ein paar von diesen Regenschirmen für medizinische Zwecke fangen und so spannt er flugs eine Fangleine vom Bus zur nächsten Laterne und wir legen uns auf die Lauer. Aber die Schirmträger sind doch cleverer als wir dachten und selbst ein rückwärtsgehender Hundebesitzer kokettiert nur kurz mit dem Strick und zieht unbeschadet von dannen. Für uns das Zeichen, doch noch ein bißchen zu schlafen. 

Als wir uns den Schlaf aus den Augen reiben, haben die Regenschirme schon Feierabend und alle Schneemänner sind geschmolzen. Wir waten durch viele kleine Pfützen in die Hechelei. Wie der Name schon sagt, wird hier viel gehechelt. Östi hechelt glücklich durch eine Riesenküche und zaubert kleine Kackehaufen auf weiße Teller, die er liebevoll Gulasch du chef nennt. Er verrätuns, daß er sogar mal einen Aufsatz über Gulasch schreiben mußte und das schmeckt man gleich. Weil alleine hecheln so langweilig ist, kommen uns die Bates besuchen und hecheln ein bißchen mit. Zur Unterstützung bringen sie zwei wirklich betrunkene Quotenhechlerinnen mit und wenn man die beiden ein paar Stunden bei sich hatte, dann weiß man, warum man lieber keine Frauen auf dem Bus hat, außer den dreißig jungen Gogogirls, die wir immer unter unseren Bussitzen gelagert haben und die ab und zu rausgeholt werden, wenn einer eine Massage braucht oder ein Schlaflied oder niemandem mehr ein guter Witz einfällt. Heute sind noch ein paar süße kleine Aliens auf dem Bus und das reicht ja nun wirklich, um schnell gute Träume zu kriegen.
 

26.01.1768
Nachdem wir den gröbsten Rauch aus unserer näheren Umgebung mit Staubsaugern und Pusterohren vertrieben haben, fährt uns unser Bus, der schon wieder kränkelt, unterm Hintern davon und in die nächstbeste Werkstatt. Wir liegen etwas verdattert wie die Käfer auf unseren Rücken und . Weil das auch nichts hilft, schultern wir unser Handgepäck und wandern, lustige Liedlein trällernd, zur Muffathalle, die fünf Stunden später am Horizont in Sicht kommt. Dort empfängt uns gleich unser Starfriseur und bereitet uns mit flinken Fingern auf den heute anstehenden Fernsehauftritt vor. Wir besteigen fünf Limousinen - für jeden eine - und der Doktor, der die schönste Schamhaarfrisur bekommen hat, darf auf einem vergoldeten und parfümierten Spiegel sitzen. Dann aber nichts wie los in all die kleinen und großen Münchner Fernsehapparate geklettert und musiziert. Die Einschaltquoten überschlagen sich, als B.Breuler als Ritter der Wahrhaftigkeit den ewigen Schwindel im Fernsehen endlich mal aufdeckt und keck sein Mikrofon wegschmeißt und zeigt, daß er auch ohne Mikrofon in der Miniplaybackshow seinen Spaß haben kann. Weil diesen anspruchsvollen Satz hier keiner verstanden haben wird, außer natürlich Püppi, die sich auf intellektuelle 3,30m erhöht hat, gehen wir großzügig weiter im Bericht. Wir wechseln schnell Frisur und Farbe und erscheinen als neuentdeckte boygroup "The inchboys" zum Bravo-Fotoshooting. Dann werden wir wieder wir selber und springen auf die Bühne. Im Publikum offenbart sich uns eine Menge junger Menschen mit glatter rosiger Haut und guter Laune und ein paar Angehörige einer ganz besonderen Spezies. Das sind bärige Typen mit einer Riesenlockenmähne, roten Gesichtern und Pranken. Eine umfrage ergibt, daß es sich um pfälzische Moosbüffel handelt, oder "Moosbiffi", wie der Münchner charmant intoniert. Man sagt hier auch viel Merci. Es sind überhaupt allle so lieb und höflich und wir reisen beschwingt von dannen, obwohl Östi so gerne noch mit einem jungen Mädchen fragwürdige Dinge in der Dusche getan hätte. 
 

25.01.99
Die fünfte Dimension..... puh, Herr Jeh hat uns alle mitgenommen und es war unbeschreiblich weich und orangegelb und eigentlich wie im Mutterleib. Am glücklichsten war unsere kleine Schreibmaschine hier in der fünften Dimension, denn dort waren noch viel mehr kleine Computer und Laptops und Schreibmaschinen und sie hat sich verliebt und schnell zwei Babys gekriegt und deshalb können wir erst heute wieder schreiben, denn auch Computer haben ein Recht auf Mutterschaftsurlaub. inzwischen hat sich die Erde ein paarmal gedreht und etliche Orgien gefeiert und wir schließen nahtlos in unserem Bericht an und landen vorerst in Köln. Dort ist es natürlich kalt, aber das macht uns nichts,denn wir kennen für alles eine Lösung und darum erhitzen wir erst unsere Instrumente und das Publikum bis zur Ekstase, und als dann immer noch einige mit den Zähnen klappern, erhitzen wir schnell noch unsere Gemüter und schreien uns mal so richtig an. Die Leute in Köln kennen natürlich gute und schlechte Zeiten und finden das was wir da tun ziemlich amateurhaft. Also verlegen wir die Fortsetzung unserer Erwärmungsstrategie lieber in unseren weniger anspruchsvollen Bus und nach einer ordentlichen Schlägerei bauen wir uns einen neuen Bus und fahren weiter. Aber eins steht seither fest: Wir werden der Welt beweisen, daß  wir auch zu richtig guten Seifenopern in der Lage sind. Freut Euch auf unsere Foto-Love-Story. 
Als wir den neuen Bus gebaut haben, waren wir wohl betrunken, jedenfalls stimmt da was nicht. Wir steigen am nächsten Morgen aus und stolpern über Schienen. Grellste Sonne blendet uns und taucht all unsere grünen Flecken und blauen Augen in strahlendes Licht. Die tragische Wahrheit ist: Unser Bus hat eine Persönlichkeitsstörung und hält sich für einen Güterwaggon. Janosch wäscht seine Hände in Unschuld und sagt, er sei machtlos gewesen, der Bus sei so zickig gewesen, deshalb wären wir jetzt in Losheim und nicht in London, wie eigentlich geplant, aber ein alter Güterbahnhof sei doch auch ein schöner Spielort. Kein Mensch weiß wo Losheim ist, aber unter uns gibt es ja auch keine Menschen, insofern ist wohl alles soweit in Ordnung und die Sonne ist schön und der Ort so jungfräulich wie Moehs Mutter, die wir alle wirklich sehr lieben. Wir spielen den lieben langen Tag mit den niedlichen Modellwaggons, die hier überall rumstehen und sich für ein Museum halten und am Abend hat Janosch unseren Bus wieder soweit im Griff, daß er auch ohne Schienen weiterfährt. Die Nacht wird wie immer nur mit warmer Milch und ein bißchen Zwieback sehr lustig und wir hören mal wirklich gute Musik. Jetzt würdet Ihr gerne wissen was für welche, aber ein paar Geheimnisse sollen ja noch übrigbleiben, nachdem wir hier ja ständig unsere Seelen und Herzen im Dienste der Menschheit nackig machen. 
Nächster Morgen, nächstes Glück: Nürnberg.  Hier waren wir schon so oft, es ist fast wie zuhause und das Hirschgeweih im "Hirschen" begrüßt uns wie alte Bekannte. Die Streicher unter uns haben heute die Ehre, den Urgründen ihrer Instrumente ein bißchen näherzukommen und besichtigen zu diesem lehrreichen Zwecke die Saitenfabrikationsstätte "Pyramid". Hier laufen verdächtig viele süße kleine Katzen ohne Darm herum. Deutung wünscht sich die Därme von Minnie und Musch, weil das die einzigen Katzen mit Hut sind und tauscht sie gegen zwei T-shirts. Unter diesen Voraussetzungen kann es nur eine gute Show werden. Es wird sehr heiß und toll und unser Lieblingskoch Östi bekommt eine Acht-Sterne-Medaille für gute bürgerliche Küche und sowas gab`s wohl noch nie. Wir wollen nie mehr diskutieren, denn wir sind schließlich keine fahrende Talkshow und mehr tiefgreifende Beschlüsse sind in dieser Nacht nicht gefaßt worden. 
 

21.01.99
Heute spuckt uns der Tag mitten in einem 1000 Meter tiefen Kohleschacht aus. Moeh fühlt sich gleich fast zu Hause und beschließt, vorerst hier unten zu bleiben. Alle anderen machen die zehnfache Räuberleiter und klettern nach oben.  Wir tauchen in einem Kindergarten auf, der Zeche Carl heißt. Die Kinder sind leider schon vorgewarnt und haben heute frei. Der Tag vergeht wie die meisten Tage mit Liedersingen, Stricken, Essen, Wäsche waschen und dreimal ums Gebäude rennen. Heute gilt es noch, Moeh zu befreien, denn der ist jetzt einsam und hat Angst in dem Schacht. Der Doktor und Püppi nehmen ihn mit in die zivilisierte Welt des Einkaufszentrums Altenessen und dort entsteht durch einen glücklichen Zufall ein Teil der Uniform unserer lukrativen Agentur "Rent a groupie" . Robert möchte lieber für Rasenmäher Werbung laufen und Herr B.Deutung hat eher eine Vorliebe für nordische Tierchen als für schöne Mädchen und schreibt sich das auch auf die Mütze. Gottseidank sind wir ja demokratisch und tolerant. Ein Teil unserer letzten Vorband "Final Virus" kommt zu Besuch und die Show ist eine Show ist eine Show. Püppi ist ein wandelnder Grippe-Virus und kommt in Quarantäne. Wir verlassen Essen und in dieser Nacht erreicht Herr Jeh die fünfte Dimension. 
 

20.01.99
Bremen, die Stadt der Fischbrötchen. Frohgemut springen wir in den Schlachthof und organisieren uns unser Abendessen zum ersten Mal auf redliche Art und Weise. Wir haben unsere Busratten gefangen und schlachten sie nun inbrünstig. Aus den Fellen bekommt Püppi warme Unterhöschen, denn das ewige Gejammer über die Kälte kann keiner mehr ertragen.  In Bremen sind die Menschen alle etwas kleiner als anderswo . 
Uns stört das aber nicht, denn auf der Bühne sieht man ja alles von oben. Wir schwenken unsere Waschbrettbäuche und das lohnt sich, denn zumindest Herr B.Breuler kommt beinahe in den Genuß eines Bremer Blowjobs, ohne daß er dafür Geld bezahlen muß. Zwei entzückende Damen sollen hier nicht unerwähnt bleiben, denn die beiden hielten es tatsächlich den ganzen Tag in unserem Backstage aus und setzten lila Farbakzente in die ansonsten leichengrauschimmelgrünliche Farbpalette unseres Alltags. Dorina und Anne sollen unvergessen bleiben. Und Gottseidank schützt Lila vor Schwangerschaft. Nach der Show tupfen wir uns den Schweiß von der Stirn und machen uns Sorgen um unseren Meisterkoch Östi, der soeben die letzten Tropfen aus einer Flasche Osborne Veterano saugt, von der er keinem was abgegeben hat. Wir zerren alle unsere betrunkenen Genossen am Schlüpfergummi hinter uns her in den Bus. Auch Janosch trinkt heimlich, wie Püppi und Moeh herausfinden, als sie in einem Geheimversteck im Bus eine Flasche Fernet Branca entdecken. Die Gespräche dieser Nacht werden philosophische Highlights, zumindest was die Intellektuellen in unserer Runde betrifft, nämlich Deutung, Herr Jeh und unseren Backliner-Gott Höppi. Auch Moeh soll daran beteiligt gewesen sein. Aber aus Rücksicht auf alle weniger intelligenten Leser verzichten wir auf die Wiedergabe im genauen Wortlaut. Es soll auch Chinesisch gesprochen worden sein, weil die Chinesen viel mehr Wörter zur Verfügung haben als wir tumben Deutschen. Die Primitiven  unter uns, deren Gedanken im Unterleib produziert werden und aus deren Mündern deshalb niemals chinesische Worte kommen könnten, nämlich der Doktor und B.Breuler, werden in die Eiskammer im zweiten Stock unseres Superbusses gesteckt und mit Videos ihres Niveaus gefüttert. Auch Püppi wird sehr schnell zu ihnen verfrachtet, nachdem ihre Versuche, Intelligenz vorzutäuschen kläglich scheiterten und sie nur noch im Kopf hatte, alle zu irgendwelchen akrobatischen Übungen zu überreden. Was sonst noch geschah bleibt unser Geheimnis. 
 

19.01.99
Wir wurden unsanft aus unserem erholsamen Exil im Gebirge gerissen und mit Erste-Klasse-Raumschiffen irgendwann nachts um zwölf in unseren Liege-Bus zurückgeschossen. Janosch empfing uns mit aller Liebe, deren schwäbische Busfahrer fähig sind und los ging`s zum zweiten Teil unserer Reise im Namen des Herrn. Die Nacht war lang und die Fahrt war kurz, nur mal eben um die Ecke nach Magdeburg. Wir wuschen uns Hände und Gesichter mit den verfügbaren Flüssigkeiten und verließen den Bus, sobald die Sonne uns erzählte, daß Tag war. Eine große Beglückung erwartete uns. Unser geliebter Handballtrainer Stefan Kretzschmar, der uns Magdeburg und körperliche Ertüchtigung jenseits des Geschlechtsverkehrs lieben gelehrt hatte, hatte schon eine Eskorte abkommandiert, die uns zu seinem geheimen Stützpunkt bringen sollte, wo er uns im Kreise seiner Jünger die Weihe für das heutige Konzert geben wollte. Wir erkannten die Eskorte sofort, große Löcher in den Ohren und viel Metall im Gesicht sagte uns: Wir sind`s!  und unsere Vorfreude stieg.  Man wollte uns in Stefan`s Wohnung bringen und unsere verschwiegensten Phantasien bewahrheiteten sich, als wir eine Männersitzbadewanne mit Whirlpool entdeckten, zu der keine Frau Zutritt hatte und auch ansonsten viele Schwimmbecken, Turnsäle und mancherlei Geräte, deren Funktionen wir gerne erläutern würden, aber unsere kleine legasthenische Schwäche vom letzten Dezember ist noch nicht ganz ausgemerzt. Nur soviel sei erzählt: Wir wurden auf den heutigen Abend wunderbar vorbereitet und fast könnte man sagen, es geht sogar ohne Frauen, aber ein kleiner weiser Blick in die nähere Zukunft des heutigen Abends belehrt uns denn doch eines Besseren, denn nur Frauen bringen Busse derart charmant zum Wackeln. Auf jeden Fall hatte Robert endlich mal einen würdigen Partner beim Love-Song, denn kein geringerer als Stefan Kretzschmar stellte sich ihm zur Verfügung.  Herr Jeh zeigte heute sein unbeschreibliches Talent in Sachen HipHop so atemberaubend, daß wir nicht umhin konnten, unsere HipHop-Weltverbesserungs-Mission auch in diesem Jahr fortzusetzen. Der Abend erfuhr noch eine Krönung in der heiligen Kathedrale unseres Meister-Trainers, dem K73. Es floß der Alkohol in Strömen, selbst lustige Spielautomaten hingen an der Wand und verführten unseren lieben Bernie und das Silber in den Gesichtern ringsum blitzte keck durch die Rauchschwaden. Leider konnte sich  unser Bus nicht damit anfreunden, unter der Brücke steckenzubleiben, die ihn auf dem Weg ins K73 begegnet war und so wurden wir rauh von unserem Kindermädchen Uli zurück in die Wirklichkeit befördert und in den Bus verfrachtet, wo uns Vadda und Mama schon mit Lötkolben und Mikrofonständern in den Händen strafbereit erwarteten. So fuhren wir denn mit vielen blauen Flecken und einer Brücke auf dem Dach gen Bremen. Und wann wir schlafen gingen, weiß keiner so genau. 


28.12.98
Wir waren seit unserem Konzert in Halle plötzlich alle Legastheniker. Jeder, der dort war, wird das verstehen, denn eine gefährliche Horde leichtbekleideter Tanzdamen stürmte die Bühne und setzte uns außer Gefecht. Deswegen können wir erst jetzt wieder unsere Berichterstattung aufnehmen, obwohl ja eigentlich schon bis Mitte Januar unser Standby-Modus aktiviert ist. Wie es so unsere Art ist, sitzen wir jetzt alle in den Bergen und verschmutzen die Höhle unseres niedlichen Mountain-Man´s mit Zivilisationsmüll wie Computern, leeren Flaschen, alten Socken , schlafenden Musikinstrumenten und Zigarettenrauch und warten auf das neue Jahr.Wir bemühen uns, die Ereignisse von Halle bis Dorndorf zu rekonstruieren und schubsen diverse halbverdaute Weihnachtsgänse durch die Höhle. In Halle also tanzten die Puppen und auf dem ganzen Weihnachtsmarkt war kein Grünkohl zu kriegen. Wir fuhren legasthenisch und glücklich zurück nach Berlin, denn Heiligabend war frei. Am nächsten Tag in Potsdam schenkten wir uns alle Liebesäpfel und schöne Taschen und feierten auch nicht mehr als sonst. Ein guter Freund kam vorbei und versuchte unsere Legasthenie zu heilen, indem er uns allen ein Buch schenkte. In dieser Nacht lasen wir aber nichts mehr, sondern schliefen selig in unseren oder fremden, auf jeden Fall aber in richtigen Betten und das kann schon was wert sein. Dann brachen wir auf nach Dorndorf, ganz auf uns allein gestellt, ohne Busfahrer, der uns beschützte und transportierte, in einem langsamen Ding, das sich Auto nannte und immerhin auch vier Räder hatte. Nach hundert Stunden schlechter Radiosender und Thüringer Kurven hatten wir dann ein idylisches Örtchen erreicht, von dem man uns sagte, daß es unser Ziel sei. Wir kannten den Veranstalter und waren sofort zuhause, obwohl diesmal keine Beachparty auf uns wartete wie in Erfurt. Wir musizierten ein bißchen und komischerweise hatte der örtliche Weihnachtsbaum ein erstaunliches Rhythmusempfinden oder die Kunstfertigkeit des Doktors brachte ihn zum Leuchten. Nach der Show suchten wir unser Hotel auf, ließen uns Oberlippenbärte wachsen und brachen auf ins Nachtleben von Bad Salzungen. Die Nacht war stürmisch und die Band in der Disco, die wir aufsuchten ebenfalls. Wir tanzten und tranken und lernten Mädchen kennen, aber das kennt ihr ja alles schon aus amerikanischen Fernsehserien. Als irgendwelche Mädchen nur noch unsere Mützen haben wollten und die Saallichter angingen, hielten wir den ersten Teil unserer Tour für gebührend beendet. Bis nächstes Jahr und ciao!
 

22.12.98
Wir haben immer noch keinen neuen Deko-Sklaven. Jeder verarbeitet seinen Kummer darüber auf seine Weise. Hilfreich greift uns der MAU-Club in Rostock dabei unter die Arme und setzt uns in eine Art Lüftungsschacht, dessen Aufgabe es ist zu testen, wie lange ein Mensch ohne Sauerstoff munter ist. Wir lassen uns aber dann doch nicht als Versuchskaninchen mißbrauchen, sondern besuchen ein Schiff. Dort wohnt nicht nur Beate Uhse und ihr putziger Spielzeugladen, sondern zu unserem großen Entzücken gibt es dort auch eine Fledermausdisco, eine Fledermausfutterstelle, Fledermausohren für Menschen, einen Fledermausmaltisch und grüne Fledermausausscheidungen. Der Backliner von Errorhead begleitet uns als unser Bodyguard und mit den Fledermausohren hört man ihn juchzen vor Freude, aber nur damit. Als wir genug Fledermäuse gefüttert haben und uns vom ganzen Kopfüber-an-Bäumen-Hängen schon ganz schwindelig ist, gehen wir zurück in unseren Lüftungsschacht. Dort lernen wir an den hübsch bemalten Wänden, daß wir Kommerz-Assis sind. Das Wort gefällt uns so gut, daß wir sofort unseren Zehn-Liter-Eimer Kaviar zum Spaß ins Klo kippen, fünf Runden in Champagner baden, den Lüftungsschacht von hundert nackten Dienern in eine Luxussuite verwandeln lassen und die Eintritts-und Merchandisingpreise verdoppeln. Als die Wand mit dicken Perserteppichen behangen ist, machen wir alles wieder rückgängig, denn an der Lüftungsschachtbackstagewand standen noch soviele Dinge, die wir lernen wollen. Fishmob erweist sich als unser neuer Meister in Sachen Sprachkultur und so üben wir fleißig die ganze Wand rauf und runter. Irgendwann sind alle müde, dem Doktor ist schlecht, nachdem er mit dem Zwillingskinderwagen gemeinsam den ganzen
Supermarkt leergegessen hat und irgendwer stopft ständig Babynahrung in sich hinein. Dann erstürmen wir dennoch die Bühne, die trotz modernster PA und bester Soundbetreuung, wie sie ja bei Kommerz-Assis wie uns Standard sind, bei Gott nicht einfach zu bespielen ist, denn man kann machen was man will, der MAU-Club scheint seine Bühne bautechnisch nicht unbedingt für optimale Soundverhältnisse konstruiert zu haben. Aber was macht uns das schon, cool wie wir sind, wie geil is das denn, bitte, kraß, Mann! Ihr hattet hoffentlich trotzdem alle Euern Spaß.
 

21.12.1998
Hamburg ahoi! Unser Schiff geht in der "Großen Freiheit" vor Anker. Hans Albers ist schon wieder besoffen und will gar nicht aussteigen. Er singt die ganze Zeit "Lilli Marleen" und will nicht einsehen, daß das doch Marlene Dietrichs Liedlein ist. Er zieht sich aus der Affäre, indem er sein Gegröle als Cover-Nummer verkauft und damit hat er gewonnen, denn heutzutage covert ja jeder alles, nur wir nicht, ihr alle wißt ja, wir waren unserer Zeit voraus und haben schon vor längerer Zeit anderen Leuten die Lieder gestohlen und für Euch recycelt. Wir finden, das ist ein alter Hut und glauben, nur HipHop kann die Welt noch retten. In der "Freiheit" treffen wir auf Östi, der uns schon letztes Jahr auf einer Tour bekocht hat und dessen besondere Spezialität Laufgänse sind. Auch Spaghetti Bolognese kann er kochen, die ißt besonders unser Licht-Possi gerne. Hamburg, wie man es nicht anders erwartet, steht für große weite Welt und so kommt auch unser lieber Bernie zu Besuch, seines Zeichens Bandberater in allen entscheidenden Lebensfragen, z.B. welche Socken am besten zu spitzenbesetzter Damenunterwäsche passen. Er versteht auch zu trinken und Champagner ist auch aus Plastikbechern mit ihm ein echtes Gourmeterlebnis. Nur leider war sein Becher wohl zu groß, jedenfalls konnten wir ihn gerade noch Hans Albers aus den Armen reißen, der sich gegen Abend für die Reinkarnation von Elvis Presley und Bernie für Marilyn Monroe hielt und die beiden wollte er schon immer mal verkuppeln. Wir luden Bernie auf Titus starken Armen in den Laderaum des Busses, wo er alle dort lagernden Merchandisingbestände den bedürftigen Busratten zu Weihnachten schenkte. Irgendwo müssen wir ihn dann wohl auf der Reeperbahn an eines der dort befindlichen Etablissements verloren haben und auch Hans Albers war nicht mehr bei uns. Auf jeden Fall war die BILD- Zeitung dabei. 
Hamburg macht uns alle immer ganz wirr im Kopf, deswegen steht hier heute auch kaum ein vernünftiger Satz. Wir tanzen noch ein bißchen durch den Bus wie das so unsere Art ist, Moeh stemmt Titus mitsamt seinem Bett in die Höhe, Püppi macht Handstand rückwärts und landet mit dem Kopf im Getränkekühlschrank, wo sie auch bleibt und die Crew führt dienstliche Gespräche, die auch sie selbst nicht mehr verstehen. Wir werden wohl morgen in Rostock eine kühle Brise um unsere Köpfe wehen lassen und alles wird gut. 
Übrigens ist unser Deko-Sklave abgehauen und deswegen suchen wir eine junge Frau zum Mitreisen. 
 

20.12.98
Wir erwachen aus geheimnisvollen Gründen alle im Kopfstand oder der Bus ist heimlich umgekippt, das weiß keiner so genau. Erfurt jedenfalls scheint richtigrum zu sein. Wir stolpern aus dem Bus und direkt an den Erfurter Strand. Leichtbekleidete Hawai-Erfurterinnen servieren kühle Getränke zur Linderung unserer Kopfschmerzen und ölen unsere Rücken und den Rest gegen Sonnenbrand. Sie spielen Beachball mit uns und lassen uns auf Luftmatratzen über die Wellen des MAD -Meeres schaukeln. Alle Sandkisten auf  Erfurter Spielplätzen scheinen extra für uns hierhergekippt worden zu sein. Der Busfahrer der Vorband sucht aus verdächtigen Gründen ständig HerrJeh. Die Show macht allen viel Spaß, besonders als eine professionelle HipHop-Combo für uns "Tomatenfisch" singt und einen trendy Mützen-Song aus dem Handgelenk schüttelt. Aber auch Erfurt müssen wir wieder verlassen, weinende Mädchen am Straßenrand werden von muskulösen Hawai-Erfurtern getröstet. Die Stimmung steigt, egal, ob jemand schlafen will, denn wir reisen nach Hamburg und Hans Albers persönlich ist auf unserem Bus gelandet. Er kommt klammheimlich durch die Toilette, die immer nach Sellerie riecht, an Deck und verbreitet den Duft einer Hafenhure aus den dreißiger Jahren. Alle Flieger grüßen die Sonne, Herr Jeh tanzt um vier Bierdosen, Bürgermeister Beckmann schenkt dem blonden Hans seine neuen Kopfhörer und Moeh bietet ihm sein Bett an, in dem dann alle beide verschwinden, weil Moeh auch mal blond war und sowas verbindet. Der beste Jahrmarkts-DJ von Welt hat das Reisegruppenmikrofon an sich gerissen und wir fahren alle darauf ab und tanzen wie verrückt, bis sich herausstellt, daß es doch nur Deutung war. 
An dieser Stelle sei noch folgendes Bemerkt: Moeh verspielt sich nie, außer bei seinem Saxophonsolo, dafür verspielen sich andere manchmal. 
 

19.12.98 
Die Runde um den Block dauert immerhin ungefähr dreihundert Milchfläschchen lang, die irgendein mieser Hund mit Alkohol versetzt hat, um uns zu willenlosen Lustsklaven zu machen. Gottseidank sind alle Videos an Bord auf Englisch, so daß wir uns zur Ablenkung in der Kunst der Synchronisation üben können, weil man damit ja wohl viel Geld verdienen kann. 
Leider kann keiner von uns wirklich Englisch und als der ganze Schwindel auffliegt, weil plötzlich alle Schauspieler in allen Filmen nur noch vom Geshlechsverkehr reden, was kein wirklicher Liebhaber der Filmkunst glauben kann, gehen wir alle beschämt ins Bett und lesen uns als Gute-Nacht-Geschichte den A-Teil eines fleckigen Englischwörterbuchs vor. Woher die Flecken stammen, ist eigentlich interessanter als alles andere, aber wir müssen ja auch an die moralisch Wertvollen unter unseren Fans denken und deshalb wird das an dieser Stelle verschwiegen. Wir steigen flugs ein paar Stunden später wieder in unseren Bericht ein. Tatort: Chemnitz, Südbahnhof. Wir steigen beschwingt aus dem Bus und behaupten gekonnt, es sei Morgen. Wie immer sieht keiner von uns wirklich gut aus. Wettbewerb um das aufgedunsenste Gesicht in der Runde. Püppi gewinnt, sagen alle, zwei Zwillingskinderwagen sind nichts dagegen, aber das ist gelogen. Der Tag vergeht, der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt ist ohne Alkohol und den Südbahnhof kennen wir noch gar nicht. Aber wir lernen ihn kennen, der Abend kommt. Herr B. Deutung ist kran k aber heldenhaft und alle anderen machen mit aus Solidarität und anderen Gründen. 
Die Bühne stöhnt vor Glück und die Instrumente glühen vor Freude. Mehr kann man wohl aus Bescheidenheit hier nicht berichten. Ihr wart ja sowieso alle dabei. Danach weinen wir ein bißchen und werfen eine Apfelsine an die Wand und uns gegenseitig Bier an den Kopf.  Uli bekommt eine nasse Hose und wird ein bißchen sauer, weil keiner ihn versteht. Kleine Testfrage am Rande: Was denkt ihr, wenn ihr "Pflaumenkuchen" hört?   Wir verlassen Karl Marx und seine Freunde. Diese Nacht wird ein Höhepunkt werden, das ahnen wir. Dr. Banani fährt uns und Janosch betrinkt sich wohl, irgendwann schaltet der Bus auf Autopilot, denn wir fahren immer weiter, aber niemand sitzt am Steuer. Wir haben wie immer Ratten an Bord, die sind süß und geben uns ein Gefühl von Heimat. Sie knabbern alle Stullen an und manchmal dürfen sie auch an des Trommlers Zehen nuckeln, denn die schmecken ihnen gut. Wir spielen Flaschendrehen und wer unsere Regeln kennt, der weiß, was das heißt. Dann hält uns die Sittenpolizei an, die sind nackig und wollen uns in einen Swingerclub schleppen, aber wir sind nicht verführbar. Deshalb ziehen wir unsere Waffen und nach einem kurzen Schußwechsel ist die Moral gerettet, wir haben natürlich wie immer gewonnen und können beruhigt schlafen gehen. 
 

18.12.1998
Berlin, 0:00 Uhr, Sonnenschein. Die Frisur sitzt perfekt. 
Janosch (Busfahrer) fährt mit einem großen weißen Gefährt vor und lädt uns Stinkebande ein..., auf eine kleine Rundreise durch die Vororte von Berlin. Willig steigen wir ein..., keine 5 Minuten später stehen die ersten Getränke und nackten Tänzerinnen auf dem Tisch. Wir sagen laut "Nein Danke" und gehen alle zusammen in unser Doppelbett! Über den Rest der Nacht müssen wir uns hier aus moralischen Gründen leider ausschweigen... diese letzten Geheimnisse unserer Existenz werden höchstwahrscheinlich nächstes Jahr in einem Buch veröffentlicht. Arbeitstitel dieses Werkes: "Unsere letzten Geheimnisse" 
Am nächsten Morgen wachen wir in einem Berliner Vorort namens Hildesheim auf. 
Gut gelaunt steigen wir sogleich auf die Bühne und spielen unser erstes Konzert auf dieser Tour. Erst Ulli (unser steinalter Tourmanager) macht uns darauf aufmerksam, daß der Zeitpunkt falsch gewählt ist. Also machen wir das, was wir immer machen... wir warten auf den richtigen Zeitpunkt. Kaum ist dieser erreicht, läßt man uns von der Leine und endlich spielen wir unser erstes Konzert auf dieser Tour... und irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, daß wir das heute schon einmal erlebt haben. 
Nach dem Konzert - wieder an der Leine - unterhalten wir uns noch mit ein paar Hildesheimern über die örtlichen Schmierstoffpreise und sind doch mehr als erstaunt, daß diese Art der Physiotherapie in den Vororten von Berlin so günstig angeboten wird. 
Als alles geklärt ist, besteigen wir  die alte Frau (Ulli) und den Bus und fahren noch eine Runde um den Block!